Viele ziehen an einem Strang

Montag, 12 Dezember, 2016
Echo-online

Heppenheim 12.12.2016
Viele ziehen an einem Strang
Von Astrid Wagner
FLÜCHTLINGSUNTERKUNFT In Heppenheim werden Kinder aus elf Nationen betreut

HEPPENHEIM - Etwas zaghaft schauten die Kinder um die Ecke, einige verschwanden wieder, andere stapften mutig durch die vielen Erwachsenen, die sich im interkulturellen Spielzimmer der Flüchtlingsunterkunft an der Tiergartenstraße versammelt hatten. Dort wurde am Donnerstag die Betreuungseinrichtung für Flüchtlingskinder der Öffentlichkeit vorgestellt.

Viele haben hier an einem Strang gezogen, um dieses Projekt auf die Beine zu stellen. Die fröhlichen Kinder verschiedenster Nationen, die mit dem Kaufladen und dem Puppenwagen spielten, sind wohl der schönste Dank für alle. Integration von Anfang an durch gemeinsames Spielen und Lernen, das ist der Effekt dieser Einrichtung, darüber hinaus ist ein Ort der Geborgenheit und Unbeschwertheit entstanden.

300 Menschen wohnen derzeit in der Unterkunft, darunter 45 Kinder. 28 von ihnen – vom Säuglingsalter bis zu einem Alter von zwölf Jahren – nutzen die Betreuung regelmäßig. Die Mütter nehmen in dieser Zeit an Deutschkursen teil. Und die Mädchen und Jungen kommen aus der Enge der Mehrbettzimmer heraus, können sich bewegen, miteinander spielen und voneinander lernen. Und so ganz nebenbei erlernen sie natürlich auch die deutsche Sprache.

Aus elf Nationen kommen die Kinder, die in ihrem jungen Leben teilweise schon Schlimmes erleben mussten. Dreimal in der Woche ist die Kinderbetreuung geöffnet. Eine Fachkraft und eine ehrenamtliche Mitarbeiterin kümmern sich um den Nachwuchs.

Qualitativ hochwertig, fachlich begleitet

Kreis, Stadt, das DRK, das Bensheimer Familienzentrum und die Heppenheimer Flüchtlingshilfe arbeiteten in den letzten Monaten Hand in Hand, damit aus der ersten Idee „ein qualitativ hochwertiges und fachlich begleitetes Konzept“, so der Kreisbeigeordnete Karsten Krug, wurde, das mittel- bis langfristig weitergeführt werden soll. Die praktische Umsetzung des Vorhabens erwies sich zunächst als schwierig. Fachpersonal für Teilzeitstellen zu finden, sei nahezu unmöglich, so Krug. Doch mit der Hilfe des Bensheimer Familienzentrums und der Flüchtlingsinitiative der Kreisstadt konnte auch dieses Problem gelöst werden.

Susanne Straub vom Fachbereich Soziales der Stadt Heppenheim freute sich über die Umsetzung. Ulrich Bergmann, Kreisgeschäftsführer des DRK versprach, dass auch draußen ein Bereich für die Kinder hergerichtet werden solle.

Janina Adler von der Flüchtlingshilfe setzt sich dafür ein, dass die Kinder aus der Unterkunft auch mit deutschen Kindern in Kontakt kommen. Denn nur, wer sich wirklich kennenlernt, baut Vorurteile und Ängste ab.

Katharina Nägele vom Bensheimer Familienzentrum berichtete von täglichen neuen Herausforderungen, die die Arbeit mit den Flüchtlingskindern mit sich bringe.

Brigitte Wecht vom Kreis Bergstraße leitet die Flüchtlingsunterkunft, hat sie innerhalb kürzester Zeit im vergangenen Winter aufgebaut. Sie erinnert sich noch an die Anfänge im November 2015 mit Feldbetten und Bierzeltgarnituren. Von den Bewohnern wird Wecht nicht nur respektiert, sondern auch geliebt. „Mama Merkel“ haben sie die ersten Flüchtlinge genannt. Diese sind längst ausgezogen – doch der Name ist geblieben.

Der offizielle Teil neigt sich gerade dem Ende zu, da kommt der 14-jährige Bashar zurück aus der Schule. Strahlend umarmt er Brigitte Wecht, erzählt, dass er gerade gelernt hat, die Monate auf deutsch zu schreiben. „Januar, Februar, März“ zählt er stolz fehlerfrei auf. Vor zehn Monaten kam er aus Syrien nach Deutschland, seit einem Vierteljahr ist er in Heppenheim. Es ist „gut hier“, freut er sich und hofft Freunde zu finden, sobald er noch besser Deutsch kann.

Salem verschläft indes den ganzen Trubel auf dem Arm seiner Mutter. Er ist mit vier Wochen der jüngste Bewohner des Heims – und ein gebürtiger Heppenheimer.

SPENDE FÜR DIE PERSONALKOSTEN
Als im vergangenen Winter die Flüchtlingswelle ihren vorläufigen Höhepunkt erreichte, war für die Verantwortlichen des Heppenheimer Unternehmens InfectoPharm – am Donnerstag vertreten durch Mitgesellschafterin Dr. Anna Gilster – klar, dass auch sie helfen wollten. Spontan verzichtete man auf eine große Weihnachtsfeier und die üblichen Weihnachtsgeschenke. 25 000 Euro kamen so mithilfe einer Spende der Geschäftsführung auf diese Weise zusammen. Das Geld wird überwiegend zur Finanzierung der Personalkosten verwendet. (rid)